04. Jan. 2024
Wichtiger als Europacup
Herbert Prohaska und seine ewige Liebe zur Wiener Stadthalle. Viel Spaß beim „Hallenzauber“ der 80er-Jahre!
Wissen Sie eigentlich, wie Lionel Messi technisch so überragend geworden ist? Der Legende nach sollen besonders viele YouTube-Videoabrufe von Austria Wiens Stadthallen-Finale 1980 gegen Rapid (8:2) aus Rosario kommen, also der Stadt in Argentinien, wo der heute größte Dribblanski geboren worden ist. Natürlich ist das Blödsinn, aber diese Partie, die die 80er-Jahre beim Wiener Stadthallenturnier eingeleitet hat, war vielleicht das Beste, was dort jemals geboten wurde. Was alllein voran Prohaska, Baumeister, Sara, Obermayer & Co. auf das damals noch sehr dunkle Parkett gezaubert hatten, ist auch heute noch atemberaubend anzusehen. Von 1977 bis 1986 gewannen die violetten „Zauberer“ das traditionsreichste Hallenturnier Europas neunmal in Folge, einmal wurde das Spektakel nicht ausgetragen.
1987 wurde man von der Admira als Stadthallensieger abgelöst, im Folgejahr schlug Rapid zu, dann wieder die Admira und dann wieder Rapid. Bemerkenswert: Schon in den 80er-Jahren sind internationale Klubs dabei gewesen. Wie Honved Budapest, Sprint Zagreb (eine Auswahl kroatischer Starspieler) oder Grasshoppers Zürich – mit Österreichs Bandenzauberern konnte aber keiner davon mithalten. Diese Dekade in der Stadthalle ist ganz eng mit einer Person verbunden – Herbert Prohaska. Er wurde zehnmal zum besten Spieler des Turniers gewählt, darauf ist er auch heute noch sehr stolz: „Wobei ich gestehen muss, dass die zehnte Auszeichnung nimmer ganz korrekt gewesen ist, da gab’s schon bessere auf dem Parkett, wie zum Beispiel den Peter Stöger. Da wollte man mir den ‚10er‘ perfekt machen.“ Als eine Art von Ehrerbietung, die auch absolut gerechtfertigt gewesen ist. Denn kein anderer Spieler davor oder danach hat bei diesem Turnier derart „gefiedelt“, wie Primgeiger Prohaska. „Schneckerls“ Augen leuchten sofort auf, wenn man ihn auf diese Jahre anspricht: „Ich durfte das ja damals gar nicht laut sagen, aber das Stadthallenturnier war mir immer wichtiger als alles andere. Bei keinem Europacup- oder Länderspiel bin ich derart nervös gewesen. Ich habe die Halle einfach geliebt. Außerdem hab’ ich gewusst, dass ich in 36 Runden Meisterschaft ganz sicher nicht jedes Mal super spielen kann, aber bei diesen wenigen Matches in der Wiener Stadthalle wollte ich unbedingt gewinnen und glänzen.“ Was ihm auch nahezu immer gelungen ist.
Eine Anekdote gibt Prohaska preis, die beweist, welchen Stellenwert für ihn der Hallenfußball hatte: „Ich bin ja als junger Bursch von Ostbahn XI zur Austria gegangen und hab dort gleich in der Kampfmannschaft gespielt. Damals gab es vor dem Stadthallenturnier traditionell auch ein großes Juniorenturnier nahe der Landstraße. Und ich hab bei den Trainern solange gebettelt, bis ich erst mit den Austria-Junioren das Jugendturnier spielen durfte und kurz danach mit der Kampfmannschaft in der Stadthalle“, schmunzelt Prohaska. Seine Verbundenheit zum Bandenzauber war für die Mitspieler auch nicht immer einfach: „Jede Mannschaft hat ja immer zwei Blöcke gehabt. Und die Spieler, die bei uns im Zweierblock dabei gewesen sind, waren oft ein bisserl beleidigt auf mich, weil ich schon nach 30 Sekunden Pause für den Einserblock beim Trainer geraunzt hab, dass wir wieder reinmüssen. Ich wollte ja unbedingt spielen.“
Die Atmosphäre des Turniers ist nicht so leicht zu beschreiben. Der berühmte Satz, man muss dabei gewesen sein, bekommt hier leider absolut Berechtigung. „Letzte Spielminute, kein Spielertausch mehr möglich“, war vom Hallensprecher etwa so ein Klassiker, wo jeder der oft 10.000 Besucher am Vogelweidplatz wusste, dass es nun dramatisch werden würde. Der Popcorn- Geruch, als man durch die dunkelbetonierten Gänge mit den steilen Stufen hinauf zu den Rängen in Richtung Halleninneres pilgerte, hängt noch immer ein bisserl in der Nase. Der Blick zum Rang der Rapidfans und zu dem der Austria-Anhänger gehörte zum Pflichtprogramm, wenn man die Halle betrat, dieses Knistern lag in der Luft, das man in noch viel konzentrierterer Form als in einem Freiluft-Stadion inhalieren konnte. Und: Es war das Event, das einen aus der Lethargie nach Weihnachten völlig rausgerissen hat. Zu einer Jahreszeit, wo das Land eigentlich im Winterschlaf liegt, gab es dort so richtig Action. Ja und auch das „Danach“ war an den Spieltagen, die stets zwischen 26. Dezember und 4. Jänner gelegt waren, traditionell ein anderes. Prohaska: „Es gab da dieses Restaurant in der Stadthalle, wo immer Tische für die Vereine oder von den Spielern reserviert gewesen sind. Die Familien sind dabei gewesen und natürlich die Fans. Man hat geplaudert, analysiert und gefeiert. Es war viel weniger Hektik dabei, einfach sympathisch.“ Die 80er-Jahre hatte das Stadthallenturnier zwar überlebt, aber schon in den 90ern ging es mit der Bedeutung bergab, in den 2000er-Jahren stolperte man Schritt für Schritt ins Aus. Leider. Denn mit dem Turnier starb definitiv eine Portion Fußball-Tradition in Wien. Und das Popcorn hat nie wieder so gut geschmeckt wie damals …