10. Mai 2024
Sturm-Meister Hölzl: „Dabrennt nichts mehr an!“
Andreas Hölzl spielte von 2008 bis 2014 bei Sturm Graz und gewann mit den Steirern den ÖFB Cup (2010) und die Meisterschaft (2011). Im Gespräch mit bundesliga.at vergleicht er die Ausgangslagen damals und heute und ist sich sicher, dass die „Blackies“ bei vier Punkten Vorsprung den Teller wieder nach Graz holen. „Ich glaube sogar schon an diesem Wochenende.“
In den letzten Wochen ertappte sich Andreas Hölzl, der für Wacker Innsbruck und Sturm Graz 255 Bundesliga-Spiele (37 Tore) erzielte, öfter dabei, an die Saison 2010/11 zu denken. Also an die Spielzeit, als die Steirer als Außenseiter zum Titel stürmten und Liga-Favorit Red Bull Salzburg ausbremsten. „Wobei der Titelkampf damals zwei Runden vor Schluss noch spannender war, da mit Austria Wien noch eine dritte Mannschaft mit dabei war.“
Vor der vorletzten Runde, bei der Sturm beim LASK und Salzburg daheim gegen Hartberg antritt (jeweils Sonntag, 17 Uhr, live auf Sky) spricht der heutige Trainer des Tiroler Landesligisten SV Brixen über den heißen Kampf um den Teller – damals wie heute.
Die Ausgangslage
Vor 13 Jahren hatte Sturm als Tabellenführer zwei Runden vor dem Ende einen Zähler Vorsprung auf Salzburg und zwei auf die Wiener Austria. „Wenn du so lange vorne mit dabei bist, glaubst du irgendwann automatisch, dass du es auch schaffen kannst. So richtig realisiert haben wir es aber erst, als wir fix durch waren.“ Schließlich sei man damals als krasser Außenseiter in die Saison gegangen, was Hölzl heute nicht so sieht: „Sturm hat sich von Jahr zu Jahr näher an Salzburg herangepirscht und sie meiner Meinung nach in dieser Saison überholt. Kader, Umfeld – das ist schon Spitzenklasse, was Sportchef Andreas Schicker und Trainer Christian Ilzer dort aufgebaut haben. Für mich waren sie von Anfang an ein kleiner Mitfavorit.“
Während das Sturm-Team von 2011 mit einem 2:0-Sieg im Rücken in die letzten beiden Runden ging, gaben Wüthrich, Prass & Co. beim 1:1 in Hartberg zwei Punkte ab. Was sich nach der Salzburger Niederlage bei Rapid dennoch als Punktgewinn entpuppte, schließlich wuchs der Vorsprung dadurch auf vier Zähler an. „Wer in Hartberg 80 Minuten zu zehnt spielt und einen Rückstand aufholt, darf auch ein Remis als Erfolg werten“, findet Hölzl.
Das Restprogramm
Mit einem Sieg beim LASK stünde Sturm eine Runde vor Schluss als Meister fest – für Hölzl ein realistisches Szenario. „Ich bin überzeugt, dass 7.000 oder 8.000 Fans nach Linz fahren. Die Euphorie rund um Sturm ist riesig.“ Selbst ein Unentschieden würde schon reichen, wenn Salzburg in Hartberg nicht gewinnt. Vor 13 Jahren trat Sturm in der vorletzten Runde bei Wr. Neustadt an – und siegte bei einer „echten Murkspartie“ (Hölzl) mit 2:1. „Wir hatten die Hosen voll, waren blockiert, konnten nicht befreit aufspielen“, erinnert sich der Tiroler. „Wir haben den Druck gespürt.“
Beim letzten Spiel dagegen, daheim gegen Wacker Innsbruck, war es ein Selbstläufer, auch wenn das 2:1 knapper klingt als es das Spiel hergab. „Flutlicht, Heimatmosphäre – da hat einfach alles gepasst.“ Sollte es auch heuer zum Showdown in der letzten Runde kommen, wäre Klagenfurt in Graz zu Gast und der LASK in Salzburg. Hölzl: „Aus Sturm-Sicht bin ich mir sicher: Da brennt nichts mehr an!“
Die Konkurrenz
Wenn Hölzl den Spruch hört, dass jede Mannschaft nur auf sich selbst schaut und keinen Blick dafür übrig hat, was die Konkurrenten so machen, kann er nur müde lachen. „Das ist kompletter Blödsinn, einfach eine blöde Floskel. Natürlich haben wir immer geschaut, was die anderen treiben.“ Salzburg hat damals in der 35. Runde beim 2:2 gegen Ried Federn gelassen, die Austria beim sogenannten „Abbruch-Derby“ am grünen Tisch 3:0 gewonnen. „Unser Vorteil war, dass es in der letzten Runde zum direkten Duell zwischen der Austria und Salzburg kam und beide Mannschaften Vollgas geben mussten, um ihre Chance zu wahren. So konnte auch bei der Tordifferenz, die leicht für uns sprach, nicht viel passieren.“
Die Trainer
Hölzl gibt gleich zu, dass er bei der Beurteilung des damaligen Trainers Franco Foda nicht objektiv ist. „Ich habe ihm viel zu verdanken, er hat mich zu dem Fußballer gemacht, der ich war“, sagt er. Und findet dementsprechend nur lobende Worte für die damalige Herangehensweise des späteren Teamchefs. „In der ganz heißen Phase, als einige Spieler nicht wussten, wie sie mit dem Druck umgehen sollen, hat er extreme Ruhe ausgestrahlt. Diese Art war für uns sehr förderlich.“
Auch bei Christian Ilzer ortet er ein Auftreten, das der Mannschaft guttut. „Ich finde, er strahlt eine gewisse Souveränität aus, das ist das wichtigste.“ Dass Ilzer auch mal die eine oder andere Spitze verteilt und darauf hinweist, sich ungerecht behandelt zu fühlen, gehört für ihn zum Geschäft. „Das ist doch normal, wenn so viel auf dem Spiel steht. Aber er geht nie unter die Gürtellinie und macht einen super Job.“
Die Führungsspieler
„Meiner Meinung nach waren wir von der individuellen Qualität damals nicht so stark besetzt wie Salzburg oder auch die Austria“, sagt Hölzl. „Aber unsere Stärke war das total coole Kollektiv. Wir waren von der Struktur her hervorragend zusammengestellt.“ Und trotzdem gab es natürlich Akteure, die das Werkl am Laufen gehalten haben. „Gordon Schildenfeld war ein Ausnahme-Verteidiger in dieser Saison. Mario Kienzl hielt im Mittelfeld die Fäden in der Hand. Und auch wenn Mario Haas oder Samir Muratovic oft nur von der Bank kamen, waren sie in der Kabine sehr wichtig.“
Auch in der aktuellen Mannschaft gibt es einige Spieler, die Hölzl begeistern. „Der absolute Führungsspieler ist für mich Jon Gorenc Stankovic. Und ich finde, dass es in diesem Kader sehr viele Unterschiedsspieler gibt: Prass oder Kiteishvili. Dazu Typen wie Wüthrich hinten oder Biereth vorne – ein richtig starker Kader! Wenn sie den Titel holen, dann auf jeden Fall verdient.“
Und was dann in Graz abgeht, kann sich der heute 39-Jährige lebhaft vorstellen. „Seit Wochen herrscht Hochspannung in der Stadt, man sieht Sturm-Fahnen an den Häusern, das Thema ist allgegenwärtig. Ich bin mir sicher, dass nicht nur die Saison, sondern auch die Feierlichkeiten außergewöhnliche Maße annehmen würden.“
Fotos: GEPA pictures