24. Mai 2024
Jürgen Heil: „Wir haben Spieler, da frage ich mich, was tun die in Hartberg?“
Hartberg-Kapitän Jürgen Heil erklärt vor den beiden Playoff-Spielen gegen die Wiener Austria warum Hartberg ein spezieller Ort für Fußballer in Schwierigkeiten ist, warum er die EM-Chance für Max Entrup als Trophäe für den ganzen Klub empfindet und warum sich keiner am „Nachsitzen“ stört.
Jürgen, ihr habt vor dem Playoff gegen die Austria mit dem 3:0 gegen Rapid noch einmal ein richtiges Ausrufezeichen gesetzt. War das ein besonders gutes Spiel von euch oder mittlerweile normal?
Wir sind schon imstande, richtig Gutes zu leisten. Gegen Rapid ist uns auch wirklich viel gelungen, aber das ist auch unser Anspruch, solche Leistungen immer wieder zu zeigen. Wir waren vor allem gegen den Ball wieder richtig gut, nachdem wir in der Woche davor gegen Salzburg noch 1:5 verloren haben und die Gegentore viel zu naiv und zu billig kassiert haben.
Ihr seid zum zweiten Mal in der ADMIRAL Bundesliga Fünfter geworden, wie ordnest du eure Saison ein?
Dass wir mit gleichviel Punkten wie Rapid abgeschlossen haben, ist überragend und nicht selbstverständlich für Hartberg. Für mehr als Platz fünf waren wir vielleicht noch zu unkonstant, trotzdem war es die beste Saison der Vereinsgeschichte. Ich würde sagen, es war ein sehr gutes Jahr mit unglaublichen Momenten. Es war vielleicht noch mehr möglich, dann wäre es eine unglaubliche Saison gewesen. Aber es geht noch weiter.
Mit den zwei Playoff-Spielen gegen die Austria, gegen die ihr im Grunddurchgang einmal gewonnen, einmal verloren habt. Liegt euch die Austria grundsätzlich von ihrer Spielanlage?
Wir müssen uns ohnehin jede Woche umstellen, im zweiten Spiel ist es dann vielleicht einfacher, weil man schon weiß, wie es der Gegner anlegt. Aber du hast in jedem Spiel die gleichen Chancen zu gewinnen. Wenn du gegen eine Mannschaft sechs Mal hintereinander gewonnen hast, heißt das für das siebente Mal trotzdem nix. Von ihrer individuellen Qualität ist die Austria wahrscheinlich über uns zu stellen, aber mit unserem Zusammenhalt werden wir dagegen halten.
Gerade die Wiener Klubs müssen sich immer wieder die Frage gefallen lassen, warum das kleine Hartberg mit weit weniger Möglichkeiten besser performt als sie. Wie macht ihr das wirklich?
Weil die Verantwortlichen hier richtig gut arbeiten, egal ob bei der Kaderzusammenstellung, der Trainer, die Entscheidungsträger treffen viele richtigen Entscheidungen. Wir haben in den letzten Jahren ja Spieler, bei denen ich mich frage, was tun die in Hartberg? Aber wir haben in unseren sechs Jahren Bundesliga eine Geschichte vorzuweisen, die Spieler, die in einer schwierigen Phase sind, auch sehen. Sie sehen, dass Hartberg ein spezieller Ort ist, wo das Umfeld passt und man in Ruhe arbeiten kann. Ich kenne die anderen Klubs nicht so genau, weil ich immer nur in Hartberg gespielt habe, aber was ich so mitbekomme, haben wir ein familiäres Umfeld wie sonst nirgendwo. Das müssen wir auch beibehalten, damit Hartberg so ein spezieller Ort bleibt.
Du hast Spieler wie Avdijaj oder Sascha Horvath angesprochen, die in Hartberg spielen oder gespielt haben, wie unglaublich ist es, dass ihr mit Max Entrup vielleicht sogar einen EM-Spieler haben werdet?
In erster Linie sind wir auf den Max stolz. Er hat einen schwierigen Weg hinter sich und hat seine Chancen hier sehr toll genützt. Bei seiner ersten Einberufung war das wirklich ein Wow-Moment, dass einer aus dem kleinen Hartberg ins Team geholt wird. Das wäre früher undenkbar gewesen. Aber daran sieht man auch wie weit Rangnick denkt. Ihm ist es egal, wie groß oder klein ein Klub ist. Am Ende ist es auch eine unglaubliche Bestätigung dafür, wie wir als Mannschaft performt haben, es ist eine Trophäe für unsere Arbeit.
Du hast in dieser Saison starke Leistungen als rechter Verteidiger erbracht, wie bist du als Mittelfeldspieler dort gelandet?
Bis auf Stoßstürmer habe ich in Hartberg ja schon alles gespielt. Aber es stimmt, ich war in meiner ganzen Karriere im zentralen Mittelfeld zuhause. Auch als Markus Schopp vor eineinhalb Jahren zurückgekommen ist. Damals hat er eine Baustelle auch der Position des rechten Verteidigers gesehen und einiges probiert. In den letzten paar Runden auch mich. Im vergangenen Sommer hat er mir dann gesagt, dass er mich da sieht. Und ich habe mich nie über eine Position beklagt. Natürlich sind die Abläufe anders als im Mittelfeld, aber ich habe versucht, das Beste daraus zu machen. Der Trainer hat mir auch Zeit gegeben, hat mir Fehler verziehen, wenn ich welche gemacht habe. Mittlerweile fühle ich mich sehr wohl auf der Position.
Nicht alle Spieler haben eine große Freude, wenn sie nach der Saison in den Playoffs „nachsitzen" müssen. Musste bei euch auch jemand den Urlaub verschieben?
Wir haben kein Problem damit, bei uns musste keiner den Urlaub absagen. Wenn man in die Meistergruppe einzieht, ist es natürlich auch das Ziel, einen Europacup-Platz zu schaffen. Wenn man sich die andere Mannschaften angeschaut hat, war es fast zu erwarten, dass wir auf dem fünften Platz landen. Wir konnten uns also schon länger darauf einstellen und haben dieses Ziel schon länger vor Augen.
Der erste Europacup-Auftritt Hartbergs war ein kurzer. Du hast damals nicht gespielt und hättest etwas nachzuholen…
Das war noch in der Corona-Zeit, damals haben wir auch das Playoff gegen die Austria gewonnen. Das Los hat dann entschieden, dass wir gegen Pias Gliwice auswärts antreten müssen. Ich war nur auf der Bank und wir haben 2:3 verloren, das war bitter. Wenn wir es diesmal schaffen, wollen wir auf jeden Fall länger dabei sein.
Fotos: GEPA pictures