07. Juni 2024

Florian Klein: „Vor drei Monaten hätte ich gesagt, Szoboszlai kann einer der Spieler der EURO werden“

2016 war Florian Klein Teil des österreichischen EM-Teams, diesmal ist der 37-Jährige als Experte von „Servus TV“ dabei. Für bundesliga.at nahm er vor seiner Abreise nach Deutschland noch fünf (Ex-)Spieler der ADMIRAL Bundesliga unter die Lupe, die bei der EURO für Furore sorgen wollen.

 

Florian, weißt du noch, mit wievielen Spielern aus der ADMIRAL Bundesliga du bei der EURO 2016 warst?

Puh, das habe ich nicht mehr auf dem Schirm, aber allzu viele werden es nicht gewesen sein.

Es war nur Robert Almer, damals von der Austria. Diesmal sind es neun Spieler im vorläufigen ÖFB-Kader und weitere zehn bei den anderen Nationen. Nur sieben Ligen stellen mehr EM-Spieler, ein Qualitätsmerkmal?

Absolut. Man muss sich ja nur anschauen, wie Sturm gegenüber den immer noch starken Salzburgern aufgeholt hat und wieviele Spieler in der Bundesliga wieder den nächsten Schritt gemacht haben. Alexander Prass ist so einer, Marco Grüll gehört dazu, der sich mit starken Leistungen für Werder Bremen empfohlen hat. Wir haben wieder sehr viele gute Spieler und eine gute Liga.

Wie gut hat dir Österreich beim Test gegen Serbien gefallen und gab es für dich Spieler, die sich aufgedrängt haben?

Die ersten 30 Minuten waren richtig stark, da war ich fast überrascht, weil man bei Testspielen so kurz vor der EURO doch immer den Hintergedanken hat, sich nur ja nicht zu verletzen. In der zweiten Hälfte hat dann der Spielfluss auch durch die vielen Auswechslungen gelitten, wodurch es für die Spitzen ganz schwer war. Aufgedrängt hat sich sicher Alex Prass, der links hinten eine sehr starke Partie gespielt hat. Nicht nur gegen den Ball, auch mit dem Ball hat er immer gute Lösungen gefunden. Mit seiner Physis, die er auch in der Bundesliga immer wieder unter Beweis gestellt hat, ist er da vorne dabei. Er hat halt auf dieser Position noch nicht so viel Erfahrung, deshalb ist die Frage, ob er gegen Frankreich wirklich auch ein Thema ist. Aber er hat seine Chance sicher genützt. Gut gefallen hat mir in den letzten 20 Minuten auch Leo Querfeld. Er hat bei Rapid schon gute Leistungen gezeigt, aber wie er sich in den Kopfballduellen gegen den Torjäger Aleksandar Mitrovic durchgesetzt hat, war schon sehr stark. Er ist einer, der eine richtig gute Mentalität hat und alles reinhaut.

Wenn wir auf einige der Ex-Bundesliga-Spieler der anderen Nationen schauen: Wem traust du eine herausragende EURO zu?

Vor zwei, drei Monaten hätte ich gesagt, dass Dominik Szoboszlai einer der Spieler der EURO werden kann. Der Ungar hat eine ausgezeichnete Schusstechnik, ist herausragend bei Standards, stark im Dribbling und weil er in Salzburg durch die Red-Bull-Schule gegangen ist, ein Zehner, der auch bereit ist, gegen den Ball zu arbeiten. Bei Liverpool wird ein ähnlicher Fußball gespielt, deshalb war er am Anfang richtig stark. Aber in den letzten drei, vier Monaten habe ich gemerkt, dass er Schwierigkeiten hat, sein Spiel durchzuziehen. Möglich, dass er sich jetzt erholt hat und wieder aufzeigt. Das Können dazu hat er jedenfalls.

In aller Munde ist auch sein Ex-Salzburg-Kollege Benjamin Sesko im slowenischen Team.

Er hat schon seinen Weg gemacht und ist dabei, zu einem noch besseren Klub zu gehen. Am Anfang der Saison hat er es nicht leicht gehabt in Leipzig, aber am Ende hat er zu den besten Stürmern Deutschlands gehört. Er hat es in seiner Entwicklung nicht immer einfach gehabt, weil viele ihn zu früh als den nächsten Haaland gesehen haben. Aber jetzt ist er voll da, hat tolle körperliche Voraussetzungen und trotz seiner Größe eine enorme Schnelligkeit und Beweglichkeit. Von seiner Gelenkigkeit erinnert er mich fast an Zlatan Ibrahimovic.

Kann es die EURO von Ex-Blacky Rasmus Højlund werden?

Der Däne von Manchester United hat auch eine enorme Entwicklung genommen. Ihn zeichnen seine körperliche Wucht und sein unglaublicher Zug zum Tor aus. Er ist schon sehr stark im Abschluss, aber bei so jungen Spielern ist auch die Frage, was man sich von ihnen bei so einem Großturnier erwarten darf. Mal sehen.

Für wen entscheidest du dich aus dem aktuellen Sturm-Mittelfeld – für den Slowenen Jon Gorenc Stankovic oder für den Georgier Otar Kiteishvili?

Da würde ich den Slowenen nehmen. Er ist für mich der Spieler, der alles zusammenhält. Die Ruhe am Ball, die hohe Spielintelligenz, die er ausstrahlt, sind für eine Mannschaft sehr wichtig. Er kann in den richtigen Momenten das Tempo herausnehmen und gewinnt auf seiner Postion auch noch viele wichtige Kopfballduelle. Ein ganz wertvoller Spieler.

Die besten Titelchancen der Ex-Bundesligaspieler hat wohl der Franzose Dayot Upamecano. Ist er bei den Bayern zurecht nicht unumstritten?

Für einen so jungen Spieler ist es bei den Bayern sicher nicht einfach. Noch dazu, weil man von ihm erwartet, dass er das Verteidigerspiel der nächsten Jahren prägen wird. Da hat er sicher auch einiges an Druck zu spüren bekommen. Es gab schon Spiele, in denen seine Fehler entscheidend waren. Auf der anderen Seite hat er trotzdem fast immer gespielt, weil er an einem guten Tag auch die besten Stürmer abmontieren kann. Ich weiß nicht, ob er in Frankreichs Abwehr gesetzt ist, aber ich kann mir schon vorstellen, dass er im Laufe des Turniers zu seinen Spielen kommt. Und Frankreich ist für mich neben England und Deutschland einer der Favoriten auf den Titel.

Und wie weit kommt Österreich?

Das werde ich in diesen Tagen natürlich oft gefragt. Ich weiß es nicht. Als Außenstehender ist es leicht zu sagen, so und so weit müssen wir kommen. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist. Gerade in dieser Gruppe ist wirklich alles möglich.

 

Diese EM-Starter spiel(t)en als Legionäre in der ADMIRAL Bundesliga:

Ungarn (4+1): Bolla Bendegúz (SK Rapid), Peter Gulacsi (RB Salzburg, 2013-15), Attila Szalai (Rapid, 2016), Dominik Szoboszlai (RB Salzburg, 2018-21), Barnabas Varga (Mattersburg, 2016-19); außerdem: Milos Kerkez (Rapid-Nachwuchs)

Slowenien (4): Jon Gorenc Stankovic, Tomi Horvat (beide Sturm Graz), Benjamin Sesko (RB Salzburg, 2019-23), Sandi Lovric (Sturm Graz, 2014-19)

Georgien (4): Otar Kiteishvili (Sturm Graz), Sandro Altunashvili (WAC), Luka Lochoshvili (WAC, 2020-22), Giorgi Kvilitaia (Rapid, 2016-18)

Serbien (2+2): Strahinja Pavlovic, Petar Ratkov (beide RB Salzburg); außerdem Vanja und Sergej Milinkovic-Savic (beide GAK-Nachwuchs)

Kroatien (2+2): Luka Sucic (RB Salzburg), Marin Pongracic (RB Salzburg, 2017-20); außerdem: Mateo Kovacic, Ante Budimir (beide LASK-Nachwuchs)

Dänemark (3): Rasmus Højlund (Sturm Graz, 2022), Rasmus Kristensen (2019-22), Morten Hjulmand (Admira, 2018-20)

Ukraine (1): Maksym Taloverov (LASK)

Tschechien (1): Vitezslav Jaros (Sturm Graz)

Schweiz (1): Noah Okafor (RB Salzburg, 2020-23)

Türkei (1): Mert Müldür (Rapid, 2018-19)

Frankreich (1): Dayot Upamecano (RB Salzburg, 2016-17)

 

Fotos: GEPA pictures