10. Jan. 2024
Austria-Trainer Michael Wimmer im Interview: „Es ist alles eine Sache der Balance“
Mit gut einer Tonne Equipment im Gepäck hat der rund 50 Mann starke Tross der Wiener Austria sein Trainingsquartier auf Malta aufgeschlagen. Zwischen zwei Trainingseinheiten nahm sich Trainer Michael Wimmer Zeit, mit bundesliga.at über Trainingsinhalte, Erwartungen an seine Spieler und über Aco Jukic zu sprechen.
Herr Wimmer, Sie befinden sich mit der Austria gerade im Trainingslager auf Malta. Ist die Wintervorbereitung heutzutage schon wichtiger als jene im Sommer?
Es ist eine andere Art der Vorbereitung, in der wir endlich die Möglichkeit haben, im Detail zu arbeiten. Im Sommer haben wir ja aufgrund der an die Saison angehängten Playoff-Spiele gegen Lustenau und wegen des frühen Einstiegs in die Qualifikation zur Europa Conference League nur drei Wochen Vorbereitungszeit gehabt. Da konnten wir mit unserem Programm nicht so in die Tiefe gehen, wie ich mir das vorstelle. Andere Schwerpunkte im Training wird es aber nicht geben, weil sich die Prinzipien, wie wir spielen wollen, ja nicht geändert haben. Wir wollen unser Spiel, das wir im Herbst gespielt haben, gut adjustieren.
Wann werden heute die Grundlagen für die Kondition gelegt?
Das liegt heute stark in der Eigenverantwortung der Spieler. Ich möchte im Training ehrlich gesagt nicht mehr ohne Ball arbeiten. Die Spieler haben von den Athletiktrainern vor dem Urlaub einen individuell auf sie zugeschnittenen Lauf- und Trainingsplan mitbekommen, der auch überwacht wurde und den jeder zu hundert Prozent erfüllt hat. Jeder ist mit ordentlichen Werten zurückgekommen, sodass puncto Kondition eine gute Basis vorhanden ist.
Müssen die Spieler nach Weihnachten auch noch auf die Waage steigen?
(lacht) Nein, auf die Waage mussten sie nicht. Da hätte ich mich dann ja selbst auch drauf stellen müssen und das wäre nicht so günstig ausgefallen.
Wie wichtig ist so ein Trainingslager im Süden? Es gibt ja auch Stimmen, meist von Daheimgebliebenen, die meinen, sich besser hier auf die Verhältnisse, die dann zum Frühjahrsstart herrschen werden, einstellen zu können.
Ich finde es wichtig. Wir sind am Montag mit dem Kälteeinbruch weg und haben hier auf Malta ideale 17 Grad, Sonne, beste Rasenverhältnisse und wirklich Top-Bedingungen. Gerade was die Einheiten mit Ballbesitz betrifft, lässt sich hier sicher besser arbeiten als auf gefrorenem Boden daheim. Und wir sind ja dann auch schon wieder 14 Tage zuhause, bevor es im Cup gegen Sturm Graz wieder losgeht. Gespannt bin ich, ob der Lagerkoller kommt, weil wir doch etwas länger, elf Tage, hier sind. Aber grundsätzlich steht dem Trainingslager jeder positiv gegenüber.
Ihr Trainerkollege aus dem Westen Wiens hat unlängst davon gesprochen, eine Woche am Gegenpressing zu arbeiten, um sich in der nächsten Woche dem Ballbesitz zu widmen. Ist das bei Ihnen auch so strikt getrennt?
So viel Zeit habe ich gar nicht, um wochenweise vorzugehen. Es ist aber schon nach Einheiten getrennt, wobei ja auch in den Ballbesitz-Übungen Faktoren des Spieles gegen den Ball enthalten sind. Was mir wichtig ist: Dass wir jetzt die Zeit haben, uns jedes Thema im Detail anzuschauen. Wir haben natürlich die Herbstsaison analysiert und zeigen vor jeder Einheit anhand der Videos aus der Vorrunde genau, worauf es uns ankommt. Und nach dem Training schauen wir wieder, was schon gut war und wo es noch genauer werden muss.
Worauf liegen die Schwerpunkte, was muss besser werden?
Der Fokus liegt klar auf dem eigenen Offensivspiel. Die 16 Tore, die wir im Herbst geschossen haben, sind sicher zu wenig. Jetzt könnten wir es uns einfach machen und sagen: Die Stürmer treffen nicht. Aber wir haben uns natürlich auch ganz genau mit all den Statistiken, die es heute gibt, auseinandergesetzt. Mit den Passquoten, mit den Positionierungen im Strafraum et cetera. Da sind wir nicht schlecht, Vierter, Fünfter, Sechster, aber es gibt schon noch Nuancen zu verbessern, um zu noch klareren Torchancen zu kommen. Die Abstände im Ballbesitz, die Sauberkeit im Passspiel, der Eintritt in das letzte Drittel. Auf der anderen Seite haben wir trotz der nur 16 Gegentore immer noch zu viele Torschüsse aus gefährlichen Zonen zugelassen, auch daran gilt es zu arbeiten.
Das Schwierige ist wohl, die richtige Balance zu finden. Am Anfang der Saison schien das Problem ja noch eher in der Defensive zu liegen.
Es ist ganz bestimmt eine Sache der Balance. Das lässt sich ja schon in den Trainings beobachten. Sobald wir Übungen gegen den Ball forcieren, geht die Sicherheit im Ballbesitz zurück und es sieht fast so aus, als hätten wir das nie geübt. Ich glaube aber doch, dass wir mit der Dreierkette und zwei Sechsern unsere Balance im Spiel gefunden haben. Das wollen wir auch im Frühjahr beibehalten, wobei es natürlich möglich ist, dass wir situativ bei Ballbesitz auch nur mit einem Sechser agieren.
Haben Sie im Rahmen des Trainingsauftakts auch das Thema Jukic im Kreis der Mannschaft noch einmal angesprochen?
Ja und ich bin froh, dass ich die Gelegenheit habe, das auch hier noch einmal zu sagen, weil es so rüber gekommen ist, als wäre Aco eine Art „Bad Boy“, mit dem man nicht zusammenarbeiten kann. Das ist er nicht. Es war nur so, dass er nach vier internen Gelben Karten jetzt eine fünfte bekommen hat, nach der wir die Konsequenzen ziehen mussten, die jedem von vornherein bekannt waren. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich immer viel vom ihm gehalten habe, deshalb ist es bis zu einem gewissen Grad auch für mich persönlich eine Enttäuschung, weil ich es auch nicht geschafft habe, ihn so weit zu bringen, dass es zu der fünften Gelben Karte gar nicht mehr kommt. Aco wird uns sportlich fehlen, aber ich wünsche ihm, dass er einen guten neuen Klub findet und sich dort besser im Griff hat, dass er Karriere macht und dann vielleicht sogar wieder einmal bei der Austria aufschlägt.
In den letzten Herbstrunden hatte auch Dominik Fitz schlechte Karten, wenn es um einen Platz in der Startelf ging. Was verlangen Sie von ihm?
Vom Fitzi verlange ich nur, dass er das macht, was er kann. Er ist ein herausragender Fußballer, von den 18 oder 19 Toren, die Haris Tabakovic in der vergangenen Saison geschossen hat, hat er gefühlt zwölf vorbereitet – oder wenn ich an seine zwei Assists für Andi Gruber gegen Warschau denke. Dorthin muss er zurück. Dazu gehört, dass er seine Position noch genauer einhält, weil er sich dort am besten einbringen kann. Wenn er dann wieder das Selbstbewusstsein und den Glauben an sich selbst hat, werden wir in der Rückrunde wieder den Fitzi sehen, den wir alle kennen.
Welchem Spieler trauen Sie im Frühjahr eine Leistungsexplosion zu?
Hakim Guenouche ist einer, den wir ja nicht grundlos geholt haben. Er hat eine gewisse Eingewöhnungszeit gebraucht, aber ich erwarte mir schon, dass er jetzt die linke Seite beleben wird. Für ihn gilt, was ich vorher gesagt habe, dass wir jetzt die Zeit haben, mit ihm inhaltlich an den Details zu arbeiten. Dann bin ich sicher, dass er zu seiner Power findet und explodiert. Von den Jungen erwarte ich von Romeo Vucic, der schon im Herbst im Training aufgezeigt hat, dass er Gas gibt und den Arrivierten noch mehr Konkurrenz macht. Und ich weiß natürlich, wie sehr alle von Muki (Huskovic; Anm.) geschwärmt haben, bei dem ich aufgrund seines Unfalls noch gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, ihn richtig kennenzulernen. Erst seit dem Spiel gegen Klagenfurt und jetzt im Training habe ich die Phantasie gesehen, die alle bei ihm haben. Bei ihm hoffe ich, dass er uns im Frühjahr den Muki zeigt, der er sein kann.
Fotos: Gepa Pictures