20. Feb. 2024

Altach-Jungstar Paul Koller: Der erfrischend andere Fußballprofi

Er sprengt das typische Kickerschema, sorgt als Innenverteidiger für wichtige Tore und kommt aus einer Familie, die Fußball nicht kratzt. Paul Koller geht schon immer seinen ganz eigenen Weg.


In welcher Liga willst du einmal spielen? „Ich definiere mir kein Traumziel“. War der Doppelpack im U21-Team gegen Frankreich bis jetzt dein Karrierehighlight? „Das ist schon wieder eine Zeit her, jetzt kommt die Frühjahrssaison.“ Hast du ein Vorbild? „Überhaupt nicht.“ Wer Altachs Abwehr-Jungstar Paul Koller interviewt und nach einem flotten Aufhänger für seine Story sucht, muss schon etwas tiefer graben oder genauer nachfragen. Denn der 21-Jährige passt nicht unbedingt in das typische Fußballerschema.

Kein Fußball-Interesse

Kein Wunder, ist er doch der Spross einer Grazer Akademikerfamilie, die sonst mit Spitzensport und Fußball nichts am Hut hat. „Da interessiert sich absolut keiner dafür. Mein Vater Helmut ist Unternehmensberater und meine Mutter Andrea Lehrerin. Sie kennt sich noch immer nicht gut aus und auch wenn mein Vater zu den Spielen kommt und mich unterstützt, er ist auch weit entfernt davon. Das ist sicher auch ein Grund, warum ich jetzt da stehe, wo ich bin.“ Moment. Warum das? „Weil gerade in jungen Jahren glauben ehrgeizige Fußballväter alles beeinflussen zu müssen, das hat es bei mir nicht gegeben.“ Und trotzdem bekam er abseits vom Platz den vollen Support, wurde Paul von seinen Eltern schon zu seinen GAK Jugendzeiten zu jedem Training gebracht.

Keine Chance bei Admira

Freilich färbt das Fußballerleben und der Spruch, der am Platz geführt wird, auch auf einen wie Paul ab: „Das hab ich schon ein bisschen aufgenommen, aber ich versuche mich damit in der Familie zurückzuhalten“, lacht er. Ein Lächeln darf ihm schon auskommen, hat er sich doch bei Altach im Herbst als Bundesliga-Stammkraft etabliert und ab der dritten Runde jede Partie 90 Minuten durchgespielt. Ein Vertrauen, das ihn doppelt freut, kennt es Paul doch auch anders. Bei der Admira durfte er zwar schon mit 16 für die zweite Mannschaft in der Regionalliga im Männersport Fuß fassen, in der Kampfmannschaft kam er aber über einen einzigen Bundesliga-Einsatz nicht hinaus: „Ich hab leider dort nie wirklich eine Chance bekommen“. Trotzdem verlängerte Koller seinen Vertrag im Glauben, man würde auf ihn setzen. Das erfüllte sich nicht. Dafür schaffte er beim GAK den Sprung in den Profifußball, hätte den schon um ein Haar in die Bundesliga geführt, wäre da nicht die vielleicht bitterste Erfahrung seiner noch jungen Karriere gewesen, als sein Team mit dem 1:1 in Dornbirn noch den sicher geglaubten 2. Liga-Titel aus der Hand gab: „Ich muss ehrlich sagen, ich hab dieses Spiel etwas verdrängt, weil es so ein extrem negatives Ereignis war. Ich bin aber sicher, dass es der Verein dieses Jahr schafft.“

Keine falschen Versprechen

Ausgerechnet im Ländle fand Paul jetzt sein Glück. Schon letztes Frühjahr angelte Ex-Sportdirektor Georg Festetics nach ihm: „Da war alles schon sehr weit, ich war auch schon in Altach und hab mir alles angeschaut.“ Doch nach Festetics‘ Ablöse verlor sich der Kontakt zunächst. Auch, weil Altach zuerst eigentlich einen Routinier für die Innenverteidigung holen wollte. „Dann hat mich Joki Standfest angerufen und mir gesagt, was er sich vorstellt.“ Und dieses Mal hat Koller seine Chance in der Bundesliga bekommen – und genützt. „Dafür bin ich extrem dankbar. Das ist super für mich, aber auch für den Verein.“ Immerhin hat sich Kollers Marktwert seit Sommer schon verdreifacht: „Alleine daran kannst du den Wert eines Spieler aber nicht festmachen. Es gibt Spieler, die besser sind als andere, obwohl sie nur mit dem halben Wert aufscheinen. Das ist nicht überzubewerten“, relativiert der Youngster, gesteht aber: „Es freut mich schon, weil es zeigt, es geht in die richtige Richtung und nach oben. Und für das Ego ist es auch keine schlechte Sache“ So wie seine wichtigen Tore – im U21-Team gegen Frankreich, mit dem der EM-Traum noch lebt oder für Altach im Derby gegen Lustenau oder gegen Pauls Erzrivalen Sturm.

Keine Vorbilder und Wunschziele

Priorität hat für Koller jetzt aber, in der Abwehr wieder so souverän zu agieren wie am Anfang und nicht wie am Ende der Herbstsaison: „Da liegt mein persönlicher Fokus.“ Ein Fokus, bei dem sich Paul null an Vorbildern oder künftigen Traum-Wunschzielen orientiert: „Das macht keinen Sinn. Weil im Fußball kannst du eh original nur ein halbes Jahr planen - wenn überhaupt. Ich eifere auch niemanden nach, um zu sein wie er. Ich will so bleiben wie ich bin. Man sollte sich selbst nicht begrenzen, indem man nur wie ein anderer spielen oder es in eine bestimmte Liga schaffen will. Du kannst dir von jedem etwas abschauen. Danach lebe ich und gehe ein bisschen meinen eigenen Weg.“ Und der hat ihn schon ziemlich weit gebracht.

 

Fotos: GEPA pictures