09. Aug. 2024
Martin Scherb: Die Euphorie ist sprbar
Traditionsklubs, arrivierte Profis und Top-Talente: Die ADMIRAL 2. Liga hat auch heuer wieder jede Menge Attraktives zu bieten. ÖFB-U17-Teamtrainer und Gesamtleiter der Abteilung Talenteförderung im ÖFB, Martin Scherb, schätzt die Lage der Liga ein und verrät, welche Talente wir uns aus seinem Jahrgang 2007, der bei der U17-EM groß aufzeigen konnte, merken sollten.
Bundesliga-Journal: Viele Experten gehen von einem Zweikampf um den Titel zwischen Ried und der Admira aus. Sie auch?
Martin Scherb: Ja. Die Admira ist mit Peter Stöger, Ralf Muhr und Thomas Silberberger sportlich top aufgestellt. Der Kader ist stark. Die Rieder haben nach dem Abstieg etwas gebraucht, um sich an die neue Liga zu gewöhnen. Aber mittlerweile haben sie sich konsolidiert, es herrscht Ruhe im Verein. Es war richtig, dass sie an Trainer Maximilian Senft festgehalten haben.
Glauben Sie, dass es wieder einen Durchmarsch à la GAK geben wird?
Ich denke, dass es spannender wird und die Meisterschaft erst spät im Frühjahr entschieden wird. In dieser Liga sind aber immer wieder Überraschungen möglich. Wenn man zurückdenkt, wie der GAK vor zwei Saisonen in der letzten Runde den bereits sichergeglaubten Aufstieg noch verpasst hatte, aber bereits in der Saison darauf wieder die Kraft hatte, so einen Durchmarsch zu starten, dann macht das die Liga einfach unberechenbar und sehr interessant.
Welches Team könnte Ried und Admira am ehesten gefährlich werden?
Der FAC macht eine sehr gute Arbeit. Obwohl die finanziellen Mittel doch recht bescheiden sind, waren die Floridsdorfer in den letzten Jahren immer im vorderen Drittel zu finden. Sie können durchaus wieder für eine Überraschung sorgen. Aber ich glaube, dass ihnen die Konstanz fehlt, um das Favoritenduo ernsthaft zu gefährden.
Zu Beginn der Vorsaison ging der SKN St. Pölten als Topfavorit auf den Aufstieg ins Rennen, doch am Ende reichte es nur zu Tabellenplatz neun. Was ist von den Wölfen heuer zu erwarten?
Der SKN ist eine Wundertüte. Drei Trainer in einer Saison – allein dieser Umstand spricht Bände. Der Kader hat eigentlich große Qualität, der Verein viel Potenzial. Aber in der Vorsaison war von Anfang an der Wurm drinnen, die Unzufriedenheit im Verein war sichtbar. Jetzt geht es für den SKN einmal darum, sich zu konsolidieren. Die Hauptfrage wird sein, wie der Ausstieg von Wolfsburg sportlich kompensiert werden kann. Ich traue es dem neuen Trainer Aleksandar Gitsov aber durchaus zu, dass er den Klub aus dem Tief herausbekommt.
Neben Sturm ist auch Rapid wieder mit einer zweiten Mannschaft dabei. Wie belebend ist das für die 2. Liga?
Mir ist schon klar, dass zweite Mannschaften nicht unbedingt der große Zuschauermagnet sind. Aber sportlich sind beide Teams eine absolute Bereicherung. Diejungen Spieler marschieren und sind sehr offensiv eingestellt. Solche Duelle helfen auch anderen Teams in ihrer Entwicklung.
Niederösterreich stellt fünf, die Steiermark vier Vereine – macht zusammen mehr als die Hälfte der 16 Klubs. Was machen die beiden Bundesländer besser als andere?
In den Akademien (Sturm, St. Pölten, Admira) wird sehr professionell gearbeitet. Davon profitieren auch die kleineren Klubs im Bundesland. In der Steiermark träumt natürlich jeder Junge von Sturm, aber der Sprung zu den Profis ist nicht so einfach. Daher werden viele tolle Talente zuerst bei einem kleineren Zweitligaverein geparkt. Eine Win-Win-Situation für alle. Ähnlich ist es auch in Niederösterreich. Um Spielpraxis zu sammeln, suchen viele Jungprofis den Umweg über die 2. Liga.
Gibt es eigentlich eine Faustregel, ab welchem Alter ein Spieler zum Profi herangeführt werden soll?
Nein. Das wird von Spieler zu Spieler individuell und behutsam entschieden. In der Talentesichtung kann man ab 13 Jahren das Fundament schaffen. Wichtig ist, wie sich im Laufe der Jahre Körper und Physis entwickeln. Die Toptalente setzen sich national und international auf jedem Niveau relativ schnell durch, aber viele Spieler brauchen noch mehr Zeit, um ihren Körper und ihre technische Ausbildung entsprechend auf den Profifußball vorzubereiten. Geduld ist da wichtig. Wir im ÖFB denken langfristig mit der Formel „Matchtag minus 10 Jahre“. Heißt: Wie kann der jeweilige Spieler im Alter von 25 Jahren im vollfitten Zustand bei den Profis bestehen? 25 Jahre deshalb, weil er da im besten Fußballeralter ist. In meinem ÖFB-Jahrgang 2007 gibt es schon einige Spieler, die bisher große Leistungen für ihr Alter erbracht haben und von denen ich mir demnächst den nächsten Sprung erwarte.
Der Jahrgang 2007 ist ein gutes Stichwort. Sie haben zuletzt das ÖFB-U17 Team bei der EM bis ins Viertelfinale gebracht. Das Team hat dabei erfrischenden Fußball gezeigt und die Herzen der heimischen Fans erwärmt. Welchem dieser Spieler trauen Sie zu, schon eventuell heuer den Sprung in die 2. Liga zu schaffen?
Oliver Sorg und Jacob Hödl von Sturm II durften schon Profiluft schnuppern, ihnen traue ich den nächsten Schritt, also den Sprung in die Stammelf, durchaus zu. Bei Valentin Zabransky, Oghenetejiri Adejenughure (beide Liefering) sowie Eaden Roka, Ensar Music und Philipp Moizi (alle Rapid II) habe ich große Hoffnungen, dass sie sich in ihren Teams durchsetzen und zum Einsatz kommen. Alle sind hochtalentiert.
Wo steht die ADMIRAL 2. Liga im internationalen Vergleich?
Sie zählt – auf Zweitliganiveau - europaweit sicher nicht zu den 5 Top-Ligen, ähnlich wie unsere Bundesliga. Aber unter den Top 15 sehe ich sie schon, in etwa vergleichbar mit der Schweiz, Slowakei oder Slowenien. Die 2. Liga entwickelt sich Jahr für Jahr weiter, die Klubs arbeiten sehr professionell. Die Euphorie ist spürbar, das zeigen auch die steigenden Zuschauerzahlen. Zusammenhalt und Teamgeist werden großgeschrieben. Die 2. Liga ist einerseits eine Plattform für ambitionierte Klubs, die ins Oberhaus wollen und andererseits eine Entwicklungsplattform für junge Spieler am Weg zum Profi
Fotos: GEPA pictures